Was leisten Medikamente?

Psychopharmaka sind aus dem heutigen psychiatrischen Alltag nicht wegzudenken. Sie sind nach allen Untersuchungen unentbehrliche Hilfsmittel in der Behandlung schwerer psychischer Störungen. Dazu gehören Schizophrenien, manisch-depressive Erkrankungen, akute Ängste oder depressive Störungen mit akuter Selbstmordgefährdung.

Psychopharmaka beseitigen nicht die Krankheit, aber sie helfen, die quälenden Beschwerden zu beseitigen oder zu lindern; und sie dienen zur Intervallbehandlung, d.h. sie können Rückfälle und Krisen wenn nicht verhindern, so doch ihre Häufigkeit herabsetzen.

Medikamente haben stets nicht nur erwünschte, sondern auch unerwünschte Wirkungen. Deshalb ist es wichtig, Nutzen und Belastung sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Wo Medikamente Leben retten, wo sie das Leben erträglich machen oder eine befriedigende Lebensqualität und einen möglichst normalen Alltag mit Privatleben und Arbeit ermöglichen, erscheint ihr Einsatz allemal sinnvoll.


Man unterscheidet vier Hauptgruppen von Psychopharmaka:

Neuroleptika (Antipsychotika)

Neuroleptika beeinflussen die Wahrnehmung und Reizverarbeitung (insbesondere bei Wahn und Halluzinationen), sie verändern die Psychomotorik und können sedierend (beruhigend) wirken. Außerdem zeigen sie einen antimanischen Effekt. Schwach potente Neuroleptika werden oft wegen ihrer vornehmlich sedierenden Wirkung, etwa zur Verbesserung des Schlafes, eingesetzt. Haupteinsatzgebiet für Neuroleptika sind jedoch Erkrankungen, die mit Wahn und Halluzinationen verbunden sind, manische Syndrome und Aggressivität. Bei den schizophrenen Erkrankungen zeigen Neuroleptika zusätzlich eine prophylaktische (vorbeugende) Wirkung.

Neuroleptika haben eine Vielzahl von Nebenwirkungen, insbesondere auf die Körperbewegungen (Motorik).

Eine Abhängigkeitsentwicklung ist hingegen nicht zu erwarten.


Antidepressiva

Antidepressiva beeinflussen nach einer gewissen Einnahmezeit die vitalen Störungen depressiver Patienten. Bestimmte Mittel (serotonerge Antidepressiva) können darüber hinaus bei der Behandlung von Angst- und Zwangserkrankungen eingesetzt werden. Mitunter haben Antidepressiva eine positive Wirkung auf chronische Schmerzsyndrome.

Die Nebenwirkungen resultieren zum größten Teil aus der Wirkung auf das vegetative Nervensystem und damit auf die Herz-Kreislauf-Funktionen, die Funktionen der Drüsen, z.B. der Speicheldrüsen, u.a.

Antidepressiva machen nicht abhängig.


Tranquilizer (Beruhigungsmittel)

Die meisten Tranquilizer sind Benzodiazepine. Sie wirken entängstigend und schlafanstoßend. Daraus ergibt sich ihr Hauptanwendungsgebiet als Schlafmittel und als Mittel gegen Panik und Angsterkrankungen.

Benzodiazepine sind im Grunde nebenwirkungsarme Medikamente, doch kommt es beim Absetzen meist zum sogenannten Rebound-Effekt (Rebound: das, was mit dem Medikament unterdrückt wurde, kehrt für kurze Zeit verstärkt zurück). Auch verlieren die Mittel nach regelmäßiger Einnahme (länger als etwa drei Monate) ihre Wirkung; sie sollten deshalb immer nur für einen bestimmten, möglichst kurzen Zeitraum eingenommen werden.

Bei längerem Gebrauch von Tranquilizern kann sich eine Abhängigkeit entwickeln. Tranquilizer werden oft als Drogenersatzstoffe missbraucht.


Hypnotika (Schlafmittel)

Die klassischen Hypnotika sind Barbitursäurepräparate, die wegen ihres hohen Abhängigkeitsrisikos weitgehend vom Markt verschwunden sind. Stattdessen werden in der Regel Tranquilizer und niederpotente Neuroleptika als Schlafmittel verwendet. Bei depressiven Patienten kann auch die sedierende Wirkung von Antidepressiva zur Regulierung des Schlafes ausgenutzt werden.


Medikamente zur Phasenprophylaxe

Zur Verhinderung von Rückfällen ist es manchmal notwendig, Medikamente langfristig einzunehmen. Zur Phasenprophylaxe affektiver (manischer und depressiver) Erkrankungen, aber auch als antimanisch wirksame Substanzen haben sich Lithium und einige Antiepileptika bewährt.

Manche von ihnen zeigen zusätzlich eine günstige Wirkung bei Aggressivität und können schizoaffektive Erkrankungen positiv beeinflussen. Zur Behandlung bestimmter Formen der Depression können Medikamente zur Phasenprophylaxe mit einem Antidepressivum kombiniert werden.

Lithium, ein Salz, ist in der Regel gut verträglich. Das „therapeutische Fenster“ (Differenz zwischen wirksamer und schädlicher Dosis) ist jedoch recht klein, was bei der Dosierung genau beachtet werden muss. Zusätzlich tritt unter Lithium oft ein Tremor (Zittern) auf, und die Funktion der Schilddrüse wird beeinflusst.

Für keines der Medikamente ist eine Abhängigkeitsentwicklung beschrieben.


Es kann vorkommen, dass Medikamente verordnet werden, die keine Zulassung für die entsprechende Indikation haben. Das ist zulässig ("Off-Label-Use"). Der Beipackzettel sollte Sie also nicht irritieren!